Geschichte der Seehundstation

In den sechziger Jahren kam es durch verschiedene Umstände, zu einem Rückgang des Seehundbestandes.

1971
Auslöser für die Gründung einer Seehundaufzuchtstation war 1971 die Initiative der beiden Jäger, Winhold Schumann und Erwin Manninga. Sie  beantragten bei der Landesjägerschaft Niedersachsen Mittel zum Aufbau der Station. Die Idee bestand darin, die verwaisten Seehundjungtiere aufzuziehen und wieder auszuwildern, um so die Population aktiv zu stützen. Ihr Konzept beinhaltete drei Bausteine: die Aufzucht der mutterlos aufgefundenen Junghunde als Hegemaßnahme zur Bestandsstützung, mit den aufgezogenen und ausgewilderten Tieren Forschung zu betreiben und die Öffentlichkeit über den Seehund und notwendige Schutzmaßnahmen zu informieren.

Mit der Hilfe vieler Freiwilliger konnte in Norden am Schwanenteich ein Gelände gepachtet werden, auf dem am 25. Juni 1971 der erste Heuler „Jan“ aufgenommen, aufgezogen und am 3. Oktober gemeinsam mit zwei weiteren Jungtieren im Eversmannsgat bei Memmert wieder ausgewildert werden konnte. Die drei waren die ersten Seehunde, die in das niedersächsische Wattenmeer zurückgebracht wurden!

Die Aufzucht der eingelieferten Tiere verlief sehr erfolgreich und aufgrund der Erfahrung, die die Mitarbeiter der Station im Laufe der Jahre erlangt hatten, zählten bald neben der Aufzucht und Pflege verwaister und kranker Seehunde und anderer Meeressäuger auch Seehundzählungen, Sektionen verstorbener Tiere, der Schutz und die Überwachung der Seehundbestände, Dokumentationen, Markierungen der Tiere, die Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Stationen und die Forschung zum Aufgabenbereich der Seehundstation.

1978
Da allerdings das Gelände am Schwanenteich für diese Fülle an Aufgaben nicht ausgelegt war und eine Erweiterung des Geländes abgelehnt wurde, schlug die Stadt Norden einen Neubau in Norddeich vor. Um den Neubeginn in Norddeich zu verwirklichen und die Interessen aller Beteiligten unter einen Hut zu bringen, wurde am 1. Juli 1978 der „Verein zur Erforschung und Erhaltung des Seehundes e.V.“ gegründet.

1980
Nach einer Bauzeit von fast zwei Jahren konnte dann am 6. Juni 1980 die neue Station in Norddeich eingeweiht und in Betrieb genommen werden.

1988
Das große Seehundsterben 1988 stellte für die Station eine große Bewährungsprobe dar: 68 schwerkranke Seehunde wurden in die Station eingeliefert, 1123 tote Seehunde mussten geborgen und entsorgt werden. Das Seehundsterben schuf jedoch Bewusstsein in der Bevölkerung und löste eine Welle der Hilfsbereitschaft aus. Zahlreiche Spenden konnten in den Ausbau der Forschungseinrichtungen, Beckenanlagen etc. investiert werden.

Es folgte eine stete Erweiterung der Station, bis sie 2006 komplett umgebaut wurde.

1992
Ursprünglich sollte die Station zu einem Forschungsinstitut für Meeressäuger ausgebaut werden, eine entsprechende Absichtserklärung des Landes Niedersachsen lag vor. In dieser Sache führte der Vorstand viele Gespräche, geblieben ist die Einrichtung eines „Nationalpark-Zentrums”, das am  10. Juli 1992 von der niedersächsischen Umweltministerin Monika Griefahn eröffnet wurde.

Nach dem Auslaufen des Kooperationsvertrages mit dem Land Niedersachsen am 31.12.2005 und der Kürzung der Mittel für die Umweltbildung durch das Land konnte durch den Einsatz von Vorstand, Geschäftsführung und weiterer Fürsprecher eine Lösung mit Fortbestand der Nationalpark-Einrichtung gefunden werden: Der Standort in Norddeich erhielt den Status „Nationalpark-Haus“, ab 2006 wurde der Betrieb des Nationalpark-Hauses durch einen direkten Vertrag mit der Nationalpark-Verwaltung vom Verein zur Erforschung und Erhaltung des Seehundes e.V. übernommen.

1994
Nach jahrelangem Bemühen erhielt die Station 1994 auch die Anerkennung als Vogelpflegestation.

2002/2003
Im Dezember 2002 führte die Vorgabe, eine geeignete Quarantänestation aufzubauen zum Kauf des ehemaligen Sendergebäudes von „Norddeich Radio“ in Norden Osterloog. Während einer zweijährigen Bauzeit entstanden neben der Quarantänestation noch Unterkünfte für PraktikanntInnen, TeilnehmerInnen der Freiwilligendienste sowie Vortrags- und Schulungsräume.

Die Strandung der zwei Pottwalbullen im November 2003 vor Norderney, bei der die Mitarbeiter der Station zur Bergung gerufen wurden, weckte die spontane Idee, die großzügigen Räumlichkeiten in Osterloog zur Ausstellung eines der Skelette zu nutzen. Die Idee des „Waloseums“ war geboren. Bis 2006 entstand die Ausstellung unter großem Engagement des Stationsteams und vieler ehrenamtlicher Mitarbeiter, sie konnte 11.06.2006 eingeweiht werden.

2006
2006/2007 war die Seehundstation komplett umgebaut worden. Die Quarantänebecken waren nun extern im Waloseum untergebracht, die Außenanlage wurde um drei große Becken erweitert, von denen eines mit einer Unterwasser-Sichtscheibe ausgestattet ist. Auch die Ausstellung wurde deutlich vergrößert und erneuert. Dies war nötig, um sich an die höheren Kapazitätsansprüche sowohl durch die tierischen, als auch durch die menschlichen Gäste anzupassen und eine didaktisch verbesserte Ausstellung zu schaffen, die dem hohen Umweltbildungsanspruch genügt. Am 20. Juni 2007 – pünktlich zum Beginn der Heuler-Saison – konnte der Bau abgeschlossen und die Station in Betrieb genommen werden.
Diese Expansion war ein wichtiges Zwischenziel in der mehr als vierzigjährigen Geschichte des Seehundschutzes durch die Seehundstation Norddeich und ein Wegweiser für die Zukunft.

2008/2009
Auch in den Jahren 2008 und 2009 setzte sich die kontinuierliche Weiterentwicklung der Seehundstation-Nationalparkhaus Norden-Norddeich fort. Nach der Fertigstellung des Waloseums und dem Umbau der Seehundstation in den Jahren zuvor, ging es nun darum, den Umgang mit den neugeschaffenen Strukturen zu verfeinern und den beiden Einrichtungen weiteren Feinschliff zu verleihen. Hierzu gehört natürlich auch die Weiterqualifizierung der Mitarbeiter und ehrenamtlichen Helfer.

2009
Im März 2009 konnte dann erstmals eine Schulung zum Wattenjagdaufseher durchgeführt werden. Dies war nur durch eine Kooperation der Seehundstation mit dem Jägerlehrhof in Springe und dem Ministerium für Landwirtschaft, der Nationalparkverwaltung und dem Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) möglich. Mittlerweile haben die Lehrgänge im Waloseum sich etabliert, Ziel ist es, die Schulungsmaßnahmen alle zwei bis drei Jahre anzubieten. Im Jahr 2012 konnte der mittlerweile bereits dritte Kurs abgehalten werden.

2012
Nach 31 Jahren hatte im Juni 2012 die alte Aufzuchtbeckenanlage ausgedient. Sie wurde komplett umgebaut. Es entstanden 14 moderne Einzelbecken für die Kleingruppenhaltung, in denen die Tierpflege besser agieren kann. Durch die Möglichkeit einzelne Tiere zu separieren und unter besondere Beobachtung und nötigenfalls medizinische Versorgung zu stellen, ist eine Kontrolle der Individuen durch die Tierpfleger wesentlich vereinfacht worden.

Heute
Um die Vielzahl der Aufgaben, die die Station im Laufe der Zeit übernehmen durfte, bewältigen zu können, beschäftigt die Seehundstation im Jahr 2018 25 feste Mitarbeiter. Mit diesem gewachsenen Mitarbeiterstamm fühlen wir uns nun komplett und für alle Aufgaben der Zukunft gut gerüstet.

Keine der Stationen in unserer Entwicklung wäre möglich gewesen, ohne das beispiellose Engagement unserer haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter, die uns auf unserem Weg bis hierher begleitet haben und sich auch in Zukunft mit uns um das Wohl der Meeressäuger bemühen wollen. Ohne sie wäre der Betrieb der Station in dieser Form nicht denkbar.

Stand 2018

  • Fast 250.000 Besucher werden jedes Jahr in der Seehundstation Nationalpark-Haus informiert
  • Weitere etwa 50.000 Besucher besuchen jährlich das Waloseum
  • Über 1.300 Gruppen werden jedes Jahr betreut
  • Mehr als 70 ehrenamtliche Mitarbeiter engagieren sich für die Meeressäuger
  • 25 feste Mitarbeiter arbeiten für die Station
  • Ein Auszubildender für den Beruf des Zootierpflegers macht seine Berufsausbildung in der Seehundstation
  • Fünf Absolventen des Bundesfreiwilligendienstes helfen bei den Aufgaben der Tierpflege
  • Zwei Teilnehmerinnen im Freiwilligen Ökologischen Jahr unterstützen die Umweltbildung
  • Etwa 20 Praktikanten verstärken jedes Jahr das Stationsteam in den verschiedenen Bereichen